Sprachspalterei in Absurdistan

Burmas Vertreibung aus dem Orwell’schen Paradies

Sprachspalterei in Absurdistan

Der Standard, Juli 2008

Burmas Vertreibung aus dem Orwell’schen Paradies Oder: Sprachspalterei in Absurdistan. Wie eine Militärdiktatur die Welt nicht nur politisch zum Narren hält

Von der im Würgegriff erstickten Safranrevolution bis zur jüngsten Zyklonkatastrophe: Die verstärkte Berichterstattung über das vielfach gepeinigte südostasiatische Land hat vielerorts, auch im ORF in verzerrter Aussprache, zur Bezeichnung „Myanmar, das frühere Burma“ geführt. der Standard ist eine der rühmlichen Ausnahmen.

P1010307Seit 1962 knechten Militärs das Land – und halten auch die Welt mit kosmetischen oder absurden Reformen zum Narren, siehe das jüngste „Verfassungsreferendum“. 1987 führten die Machthaber über Nacht neue Geldnoten ein, erklärte die alten für wertlos – und vernichteten so alle Ersparnisse der Bevölkerung, was eine kurze Demokratierevolte auslöste. Nach der blutigen Niederschlagung sollte 1989 eine Kommission Orts- und Landesnamen anpassen – weg von kolonialen Namen hin zur lokalen Aussprache. Grundsätzlich kein illegitimes Unterfangen, nicht unähnlich den Änderungen in China (Peking/Bejing) oder in Indien (Calcutta/Kolkata). Namen aus sehr unterschiedlichen Sprach-, und Schriftsystemen bringen immer Transkriptionsprobleme. Stets wird nur eine annähernd korrekte Lautfolge wiedergegeben. Die burmesischen „Sprachkommissare“ waren Offiziere und Beamte des Militärregimes, keine unabhängigen Experten oder Linguisten.

Groteske Begründung 

Als die Regierung im Juni 1989 das neue Myanmar der erstaunten internationalen Öffentlichkeit präsentierte, wurde als grotesk unverschämte Begründung der Änderung angegeben, der Landesname solle auch die – traditionell aufständischen – nationalen Minderheiten einschließen. Ein Argument, das Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi sofort als scheinheilig brandmarkte: Myanmar oder Burma – beide Schreibweisen beziehen sich auf das Mehrheitsvolk der Burmesen, keine inkludiert die zahlreichen nationalen Minderheiten wie die Shan, Karen, Mon etc.

Die einzigen Minderheitenrechte im Land bleiben die der herrschenden Militärs. Dennoch übernahmen die UNO (ein Burmese, U Thant, war 1961-1971 der dritte UN-Generalsekretär) und viele Medien den neuen Namen unkritisch nicht nur im Englischen, sondern auch in anderen Sprachen wie eben Deutsch.

Eine Sprachspalterei, Orwell’scher Newspeak der Militärs, heute nur mehr von Nordkorea übertroffen (George Orwell, scharfsichtiger Zeitzeuge, hat übrigens, wie prophetisch, prägende Jahre als britischer Kolonialoffizier in Burma verbracht). Tatsache ist: Myanmar hat den gleichen Ursprung wie Burma (in deutschen Medien meist Birma), und wird in der Landessprache auch faktisch gleich ausgesprochen:

Sowohl das B als auch das M sind im Birmanischen Lippenlaute, die in lokalen Dialektformen fließend ineinander übergehen, wobei im „Hochburmesischen“ ein annäherndes M der elegantere Laut gegenüber dem B der Alltagssprache ist. Das Y ist selbstverständlich nicht der bei uns gebräuchliche Ü-Laut, sondern eher ein I, die Lautfolge AN ist ein nasales A, und das End-R ist stumm bzw. drückt – entsprechend der englischen Oxford-Orthografie – mit einem vorangehenden Selbstlaut nur dessen Verlängerung aus. Das AR in Myanmar ist also ein langes (englisches!) A. (Ein R ist im Burmesischen nicht mehr existent – und kann in Ostasien vielerorts gar nicht ausgesprochen werden: Wir erinnern uns an „L/R“-Verwechslungen und entsprechend billige Witze). Die burmesische Hauptstadt heißt daher auch offiziell Yangon statt Rangun – was sich aber in der Berichterstattung im Gegensatz zum „neuen“ Landesnamen kaum durchgesetzt hat. Dieser lautet – in deutscher Lautfolge halbwegs wiedergegeben – auf „Hochburmesisch“ in etwa Miämää, umgangssprachlich eher Bämää.

Einem selbstbewussten Staat fällt kaum ein, zu dekretieren, wie er in anderen Sprachen heißen soll. Länder haben in unterschiedlichen Sprachen mannigfache Namen. Es würde uns lächerlich anmuten, wenn Tokio plötzlich verkündete, dass Japan nur mehr Nippon ist. Dass Finnland in allen Sprachen Suomi heißen sollte, Ungarn Magyarország, Griechenland Hellas oder Österreich nie Austria, Autriche, Au, Nemsa (auf Arabisch) etc. Die Liste könnte endlos fortgesetzt werden.

Auch wenn man Sensibilitäten einst kolonialisierter Völker in Betracht zieht: Wer bei uns weiß schon, dass etwa Ägypten auf Arabisch Misr heißt? Die dort lebenden Menschen haben andere Probleme. Sogar ein neues Staatsgebilde wie Montenegro besteht im Ausland nicht auf der Eigenbezeichnung Crna Gora, Albanien nicht auf Shqiperia.

Der Opposition vertrauen 

DSC03283Reisenden erscheint das isolierte Burma oft als Relikt eines andernorts längst untergegangenen Südostasien, wie es sich einem Somerset Maugham einst präsentiert haben mag. Bis plötzlich, abseits touristischer Routen hinter einer Straßenbiegung Bataillone aneinandergeketteter Gefangener beim Straßenbau die Idylle trüben. Wie sollte also das Orwell’sche Paradies auf Deutsch heißen? Myanmar, Birma, Burma? Eine nebensächliche Frage des Geschmacks (im Adjektiv myanmarisch statt birmanisch oder burmesisch?), der Gewohnheit, ein Dilemma politischer Korrektheit?

Vorgebliche Minderheitenrechte hin oder her – Burmas Militärregime hat den Landesnamen nur im Englischen, nicht im Burmesischen selbst „geändert“. Aung San und mit ihr die Opposition im Inland – soweit nicht mundtot gemacht – wie auch im Exil spricht weiter von Burma. Sie lehnen den „neuen“ Landesnamen, als von oben über eine sprachlose Bevölkerung dekretiert, schlicht ab. Auch die internationalen Medien sollten sich nicht länger ein M für ein B vormachen lassen.

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