Aberwitzige Reise

Schelmen- und politischer Roman

Aberwitzige Reise

Motel Afrique

von Andreas J. Obrecht

„Motel Afrique“ – bereits das Titelbild in Sepia weckt die Vorstellungskraft: ein kolonialer Bau der klassischen Moderne in einer einstigen Kolonie in Afrika.

Dar es Salaam 1994. Andrew, ein junger Europäer, erwartet sehnsüchtig die Ankunft einer tatsächlichen oder auch nur imaginierten Geliebten. Doch sie kommt nicht, und wird zunehmend zur Fiktion im Kopf des Ich-Erzählers. Unter allerlei zwielichtigen Hotelgästen nimmt sich eine esoterische Therapeutin seiner Verzweiflung, seiner geschundenen Seele und rasch auch seines begehrten Körpers an. Andrew flieht vor ihr aus Tansania nach Südafrika – das den ersten freien Wahlen entgegenfiebert. Er verstrickt sich in allerlei politische, geheimdienstliche und persönliche Intrigen, flüchtet weiter durch das südliche Afrika mit einer nun afrikanischen Geliebten in vermeintliche dörfliche Idylle, und „aus einem bizarren Neurotiker mit bösen Wahnvorstellungen wird ein heldenhafter Retter.“

Eine knappe Inhaltsangabe der teils skurrilen Handlung würde „Motel Afrique“ nicht gerecht. Es hat etwas von einem Schelmenroman – Literatur hat ja nicht unbedingt die Wahrheit zum Gegenstand. Es ist ein Potpourri, aber dennoch in einer Mischerzähltechnik durchkomponiert, in die autobiographische Elemente mit verwoben scheinen: Eine große Erfahrung des Autors im südlichen und östlichen Afrika schimmert durch. Er spielt mit allerlei Klischeebildern, dann bürstet er sie gegen den Strich. Seine Sprache ist einmal bildhaft („Montagmorgen, kurz nach sechs, und eine dunstige Sonne kroch über die das Rollfeld begrenzenden, gelben, durstigen Wiesen“), mal überzeichnet bis zu spöttischer Selbstgeißelung, dann wieder voll kluger Ironie: „Man konnte Orangen nach Madagaskar schippern und ihnen dort jene Etiketten und Exportpapiere verschaffen, die den kritischen Konsumenten in Europa den politisch bedenkenlosen Griff ins Regal erlaubten.“ Der Ich-Erzähler ist ein sinnesfreudiger und dabei geistreicher Getriebener. „Motel Afrique“ ist zugleich ein Schelmen- wie auch ein politischer Roman. Vielleicht gibt an manchen Stellen eine Spur zu viele politisch sehr korrekte Exkurse zu Ungerechtigkeiten von Kolonialismus und Apartheid. Von solchen Details abgesehen ist es eine gleichsam unterhaltsame wie gewinnbringende Lektüre.

Motel Afrique, Roman, Andreas J. Obrecht, Bibliothek der Provinz

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